Meine Kernthesen beim Meseberger Zukunftsgespräch der Bundesregierung
Am 17.06.2019 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel zu den Zukunftsgesprächen der Bundesregierung eingeladen. Bei der Diskussion von Regierung, Sozialpartnern und KI-Experten über die Strategie der Bundesregierung zur Künstlichen Intelligenz wirkten neben der Bundeskanzlerin ein Großteil des Bundeskabinetts (BM Scholz, BM Seehofer, BM Altmaier, BM Heil, BM Spahn, BM Karliczek, BM Braun) sowie die Präsidenten von BDI, IHK, ZDH und die Vorsitzenden der Gewerkschaften DGB, IGM, ver.di, IG BCE und dbb mit.
In meinem Impulsvortrag erläuterte ich einige meiner Kernthesen zur Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt.
Die zukünftige Arbeitswelt basiert auf der kraftvoller werdenden vernetzten und intelligenten Digitalisierung, Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeit. Künstliche Intelligenz beeinflusst die Arbeit vor allem in drei Wirkrichtungen:
sie hilft den Menschen bei der Arbeit,
sie kann Menschen ersetzen und
sie lässt neue Geschäftsmodelle und Berufe entstehen.
Damit die Chancen des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz optimal genutzt werden und die wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Vorzüge für unser aller Wohlstand wirken, ist eine Grundsatzdebatte auf allen Ebenen entscheidend. Polarisierende Polemik nützt an dieser Stelle nichts.
Künstliche Intelligenz beeinflusst die Arbeit –75 Prozent der Arbeitsplätze werden sich verändern
Künstliche Intelligenz (KI) bietet nicht nur allerhand Chancen für innovative Geschäftsmodelle in der deutschen Wirtschaft. Die Arbeitswelt in den Unternehmen erfährt ebenfalls umwälzende Veränderungen. KI entwickelt die Arbeitswelt 4.0 zur Arbeitswelt 5.0. Steht die Arbeitswelt 4.0 im Fokus der vernetzten Digitalisierung und der Flexibilisierung von Arbeitsort, -zeit, -organisation sowie Handlungsfreiheit, so wird die Arbeitswelt 5.0 mit intelligenter Assistenz, lernenden Robotern und benutzeroptimierten Informationen bereichert. Für die Beschäftigten bedeutet der Einsatz von KI noch mehr Flexibilität, anspruchsvollere Tätigkeiten, individuell angepasste Informationen sowie Erleichterung bei monotonen geistigen Routinetätigkeiten.
Eigene Analysen zeigen, dass sich 75 Prozent der Arbeitsplätze verändern werden. KI wirkt in drei Richtungen: KI unterstützt die Beschäftigten bei der Arbeit, KI führt zur Automatisierung und ersetzt menschliche Arbeit sowie KI ist Quelle neuer Berufsbilder.
Auswirkung der KI auf die menschliche Beschäftigung und Arbeitsprozesse
Die Arbeitswissenschaft unterscheidet im groben zwei Arbeitsformen: körperliche und geistige Arbeit. Nach vorangegangen Bemühungen der körperlichen Entlastung in der Arbeitswelt zielt die KI auf geistige Entlastung der Beschäftigten ab. Die psychischen und physiologischen Langfristwirkungen neuartiger Mensch-Maschine-Interaktionen und den einhergehenden Kompetenzverschiebungen sind unklar.
KI kann im Arbeitsprozess sowohl Produktivität und Wirtschaftlichkeit fördern als auch zum Treiber einer neuen Unternehmenskultur werden. Potenziale durch KI bestehen in einer neuen Arbeitsqualität, die zum Beispiel
Ressourcen effektiver einsetzt,
die Selbstentfaltung und Gesundheitsressourcen fördert,
die Prozesse umweltschonend gestaltet,
größere Transparenz herstellt oder
die Menschen mit assistierenden Systemen unterstützt.
Mit der Einführung können aber auch unerwünschte Folgen verbunden sein.
Die KI kannals restriktiv und kontrollierend empfunden werden,
durch fremdbestimmte Steuerung zu einem Verlust an Handlungsautonomie und -kompetenz führen,
zu geringerem Gestaltungsspielraum führen.
Da KI-Technologie das Potenzial haben, im Bereich der Wissensarbeit die Flut an arbeitsrelevanten Informationen zu reduzieren bzw. zu kanalisieren, sowie lernende Robotersysteme und KI-basierte Automatisierungslösungen stark beanspruchende körperliche Tätigkeitanteile übernehmen können, besteht die Aussicht, dass Beschäftigte in einer KI-geprägten Arbeitswelt tendenziell verminderte Belastungen erfahren werden können.
Betrieblicher Einführungsprozess der KI
In betrieblichen Umsetzungsprojekten werden mir regelmäßig drei Kernbefürchtungen geäußert:
Angst vor Missbrauch persönlicher Daten (Datenschutz, Durchsichtigkeit der Person),
Angst im Umgang mit Ki (Scheitern, "nicht qualifiziert sein", KI als undurchsichtige Black-Box) sowie
Angst vor Jobverlust
Als entscheidender Erfolgsfaktor bei der Einführung von KI ist demnach ein mitarbeiterorientierter Einführungsprozess mit einer intensiven Change-Diskussion des Managements und der Beschäftigten vorzusehen. Dies umfasst
das Aufzeigen der Vorteile und des Nutzens von KI;
die Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs und Umsetzung dessen
die Mitgestaltung der neuen Arbeitssysteme
Experimentierräume und Pilotprojekte, die dann als Leuchttürme ausstrahlen, erweisen sich für mich in der betrieblichen Praxis als zweckmäßig, um neue Technologien im Feld zu erproben und zu evaluieren sowie umfassende Bereitschaft zur Verwendung und Akzeptanz von KI- Lösungen zu erzielen.
Gesellschaftlicher Diskurs im Kontext von KI und Arbeit
Bei allem Optimismus können wir es mit der KI auch übertreiben: Wenn wir die Arbeit in der digitalen Zukunft so gestalten, dass wir –die Menschen - nur noch Anhängsel von digitalen und intelligenten Systemen und Maschinen wären. Hier zähle ich auf eine moralische und ethische Grundsatzdebatte, die einerseits die zahlreichen Vorteile der Künstlic
(Fotos: Bundesregierung/Lene Münch 2019)
hen Intelligenz, andererseits gesellschaftliche Werte und humane Aspekte berücksichtigt.
Die arbeitspolitische Gestaltung beeinflusst wesentlich den Einsatzerfolg der KI im betrieblichen Kontext. Daher sind die sachliche Debatte und der Dialog über Menschen und Arbeit im Kontext von KI mit allen Beteiligten (Unternehmen, Beschäftigte, Politik und Sozialpartner) notwendig und einzufordern. Eine auf der sozialen Marktwirtschaft mit ethischen Grundwerten beruhende KI-Gesellschaft könnte internationaler Vorreiterstatus des KI-Einsatzes werden und als deutsches Vorbild für andere Nationen für verantwortungsvollen Umgang mit KI gelten.
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